Wahre Wildnis oder wilde Puppenstube?

Die „Eckernförder Gespräche“ mit hochkarätiger Polit-Prominenz und Naturschutz-Größen eröffnen traditionsgemäß das „Green Screen Festival“ in Eckernförde. Dieses Mal ging es munter zu. Das Thema: „Wagnis Wildnis: Wieviel wollen wir?“

  • Manuel Schweiger, Wildnis-Experte, Tobias Goldschmidt, Umweltminister und Walter Hemmerling, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein

  • Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein und Manuel Schweiger, Wildnis-Experte

  • Michael van Bürk, Pressesprecher des Green Screen Festivals und Jan Haft, Naturfilmer


Für „Wildnis“ gibt es keine festgezurrte, klare Definition. Für die Einen ist es ein Schutzgebiet, das sich selbst überlassen bleibt, ohne jegliche Eingriffe des Menschen, für die Anderen ist es eine Art große Vielfalts-WG, in der man Rinder und Pferde einzäunt und den Dingen ihren Lauf lässt… Erstaunliches passiere dann schon nach kürzester Zeit, schildert Filmemacher Jan Haft aus Bayern bildreich und voller entfesselter Leidenschaft. Der 56-Jährige Naturfilmer und Biologe ist von Beginn an, also seit 16 Jahren, fester Bestandteil des größten Naturfilmfestivals Europas. Dieses Mal saß er mit Klaus-Peter Lucht, dem Präsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, dem schleswig-holsteinischen Umweltminister Tobias Goldschmidt und dem Wildnis-Experten für Deutschland Manuel Schweiger auf dem Podium der „Eckernförder Gespräche“ in der Stadthalle in Eckernförde. Ausgerichtet wird die mal muntere, mal kontroverse, mal einstimmige Diskussion in jedem Jahr gemeinsam von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und dem „Green Screen Festival“. Die Moderation übernahmen in diesem Jahr Michael van Bürk, Pressesprecher des Festivals und Dr. Walter Hemmerling, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.

„Das was Eckernförde auf die Leinwand bringt, zeigt wofür wir von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein täglich arbeiten: atemberaubende Natur direkt vor unserer Haustür“, mit diesen Worten begrüßte  Dr. Walter Hemmerling das vierköpfige Podium.

Die Positionen, wie viel Wildnis nach Schleswig-Holstein gehört, waren schnell eingenommen. „Ich finde hier passt Wildnis nicht so gut her. Ich bin eher für organisierten Naturschutz“ sagte Klaus-Peter Lucht vom Bauernverband SH. Manuel Schweiger, der Wildnis-Experte Deutschlands und mittlerweile Leiter des Nationalparks Kellerwald-Edersee, stellte dagegen: Wildnis sei auch mal auszuhalten, keine Zielvorgabe zu haben und ergebnisoffen zu warten, was die Natur mache, wenn sie sich komplett selbst überlassen werde und: „Wildnis ist auch mal zu zu sehen, wie eine Rote-Liste-Art eine andere Rote-Liste-Art auffrisst“, wie zuvor im Filmbeispiel von Graureiher und Frosch zu sehen war.
Jan Haft, der prämierte Filmemacher, belebte die Diskussion mit seinen gesprochenen Bildern von grasenden Galloways, vollgefressenen Fröschen, die auf Wisent-Rücken liegen und in Wolken aufsteigenden Schmetterlingen, sowie umhersummenden Wildbienen und Hummeln mit einem flammenden Plädoyer für mehr wilde Weiden in ganz Deutschland.

Am Ende stellte das Podium im Dialog mit den rund 110 Zuschauer*innen fest, dass es der Begriff „Neue Wildnis“ – vielleicht am ehesten schaffen könne, sich zu etablieren und neben der wahren Wildnis, auch einen Platz für eine 20 Hektar große „Puppenstuben-Wildnis“ entstehen.

Am Mittwochabend geht’s dann endlich richtig los: die offizielle Eröffnung des fünftägigen „Green Screen Festival 2022“ mit Jan Hafts Film „Natura Europa – Was ist Wildnis?“ startet. Er feiert damit auch gleich Premiere und unterstreicht darin noch einmal seine Botschaft: Großsäugern als Ökosystem-Ingenieuren wieder einen Platz in unserer Welt zu schaffen…