Sie ist nicht das hübscheste Exemplare im Teich – und doch gehört sie nach Schleswig-Holstein wie der Wind, die Wellen und das Meer: die Rede ist von der Rotbauchunke. Eine extrem bedrohte und europaweit stark geschützten Amphibien-Art, die ihren Namen dem knallrot-gefärbtem Bauch verdankt. Ihr Zustand zur Jahrtausendwende schlecht, ihr Status, Rote Liste 1 – vom Aussterben bedroht. Und das zu dem damaligen Zeitpunkt schon seit mehr als 30 Jahren. Wieder und wieder hatte Hauke Drews, Biologe bei der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein die Roten Listen für Amphibien studiert und immer wieder fiel dem jungen Biologen damals auf, dass die Bestände der Amphibien in Schleswig-Holstein schlecht waren und schlecht blieben. Und niemand etwas dagegen tat.
Frösche, Kröten und Unken verschwinden seit über 30 Jahren in Schleswig-Holstein
„Die Ursachen für das langsame, aber stetige Verschwinden dieser stark angepassten Art war die um sich greifende Verwandlung von Weidegrünland in Acker“, erklärt Drews. Auch kippten mit der Umwandlung die Tränketeiche, die den Fröschen, Kröten und Unken im Frühjahr zur Fortpflanzung und als Laichgewässer dienten. Sie liefen voll Gülle oder Düngerstoffe oder trockneten komplett aus. „Da überlebten nur noch die anspruchslosen Arten wie Grünfrösche, Erdkröte oder Teichmolche, die können auch mit schlechter Wasserqualität umgehen.“ Rotbauchunken allerdings lieben es flach, besonnt und fischfrei.
So krempelte er also die Ärmel hoch, und begann mit den ersten Maßnahmen – damals noch unter dem sperrigen Titel „Programm Q – eine Qualitätsoffensive auf Stiftungsflächen“ – für die bedrohten Frösche, Kröten und Unken. „Bevor es losgehen konnte, musste ich mir erstmal bei den Dänen abgucken, wie das mit der Froschrettung klappen könnte“, erinnert er sich. „Die waren auf dem Gebiet im Gegensatz zu uns schon echte Experten.“
2003 startet die großangelegte Rettung der Rotbauchunken auf Fehmarn
Gesagt – getan. 2003 fiel dann also der Startschuss zum großangelegten Rotbauchunken-Rettungsprojekt auf Fehmarn. Wieso ausgerechnet die Ostseeinsel? „Fehmarn war Rotbauchunken-Wohlfühlort, weil es auf der Insel ein sehr dichtes Netz von Kleingewässern gab, die ganz nach dem Geschmack der Rotbauchunken waren“, sagt Drews. Das läge an der speziellen Art der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung – die sogenannten Mergelgruben dienten im Frühjahr als Paarungsteiche der Unken. Doch bei der letzten Bestandsaufnahme auf Fehmarn im Rahmen der Erstellung einer neuen Roten Liste konnten die Artenexperten des Landes Schleswig-Holstein nur noch drei Teiche mit Rotbauchunken auf der gesamten Insel ausmachen. Diese galt es also nun für Drews und sein dänisches Unterstützungs-Team zu finden und die Rotbauchunken zu retten. Tatsächlich fingen sie damals drei Tiere. Doch diese waren nicht bereit sich unter den Augen Drews in einem Eimer zu paaren. Der Däne Kåre Fog wusste Rat. „Wir brauchen ein Aquarium mit Heiztstab, es ist den Unken nämlich jetzt schon zu kalt zur Paarung.“
Rotbauch-Unken-Intensivstation bei unseren Nachbarn in Dänemark
Gesagt – getan. Das Aquarium wurde im Wohnzimmer eines Fehmarner Bauern aufgestellt, die Unken – natürlich Männchen und Weibchen – hinein und abgewartet. Und tatsächlich, die Unkenretter*innen konnten am Morgen des nächsten Tages 120 Eier „ernten“. Diese gingen in die dänische Aufzuchtstation. Die Prozedur wurde noch mehrmals im Frühjahr 2003 wiederholt. Aus den Eiern konnten 600 Kaulquappen und schließlich 600 Jung-Unken aufgezogen werden. Die eine Hälfte kam in die noch vorhandenen Teiche der Eltern, die andere Hälfte in neu angelegte Teiche auf Flächen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, nur einen Steinwurf von den noch vorhandenen entfernt.
In den folgenden Jahren schafften die Unken es dennoch nicht von alleine und die Retter*innen entschieden sich, die Unken länger in der dänischen Amphibien-Aufzuchtstation zu behalten. Auf diese Weise konnten in den sechs Folgejahren mehrere 1000 Jungunken auf Fehmarn ausgesetzt werden. Die entwickelten sich so prächtig, dass beim ersten Froschkonzert der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein im Jahr 2012 das charakteristische Rufen der Rotbauchunken aus den Naturschutzflächen bis in die nächsten Dörfer hallte und die Fehmarner*innen ihre Mitbewohner, im Volksmund auch die „Fehmarner Nachtigall“ genannt, von einst zurückbekamen. Die auf Fehmarn umgesetzten Maßnahmen wurden in ähnlicher Weise in vielen Rotbauchunken-Gebieten in ganz Schleswig-Holstein gestartet.
Deutschlandweit einzigartig: Unken gerettet und nicht länger vom Aussterben bedroht
Einen Beweis für den nachhaltigen Erfolg der Rettungs-Maßnahmen für die Rotbauchunke gab es im Jahr 2019, als bei der Überarbeitung der Rote Liste der Amphibien Schleswig-Holsteins die Rotbauchunken von dem Status „vom Aussterben bedroht“ auf den Status „stark gefährdet“ herabgestuft werden konnten. „Das ist deutschlandweit einzigartig“, ist Drews begeistert. „Das was noch vor 20 Jahren als unvorstellbar erschien, ist geschafft“, sagt er. Amphibien-Experte Florian Bibelriether von AmphiConsult Germany setzt dem Ganzen jetzt noch die Krone auf: Er schreibt in seiner Auswertung in den Flora-Fauna-Habitat-Berichten „Amphibien in Schleswig-Holstein“ der letzten beiden Berichtsperioden 2013-2018 und 2019-2024, dass dieser vorsichtige Aufwärts-Trend der Rotbauchunken auf Naturschutzflächen, insbesondere den Flächen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein deutlich erkennbar sei. In der Normallandschaft hingegen sei es weiterhin so ungünstig wie in allen anderen Bundesländern.
Als ob die Unken diese Aussage bestätigen wollten, haben sie rechtzeitig zum 20-jährigen Jubiläum der Amphibien-Initiative begonnen, sich wieder von den Naturschutzflächen aus in die umgebende Landschaft auszubreiten. In zahlreichen Gebieten in den Kreisen Ostholstein und Plön tauchten in 2023 und 2024 Unken nach 30-jähriger Abwesenheit wieder auf. Zunehmend werden auch neu gestaltete Naturschutzflächen von Unken über mehre Kilometer Distanz wieder von allein besiedelt. Aber der Weg zu vitalen, robusten Populationen im gesamten ehemaligen Verbreitungsgebiet ist noch weit. „Auf diesem Erfolg ausruhen ist daher also nicht, wir müssen weitermachen“, sagt Drews abschließend.