Ein Parasit im Paradies

Bisher für die Wissenschaft völlig unbekannte Insektenart in Schleswig-Holstein entdeckt...

  • Campodorus paradiesensis, Weibchen, Foto: Lennart Bendixen


Eine gute Nachricht gleich zu Beginn des neuen Jahres: Insektenexperte Lennart Bendixen hat eine neue Schlupfwespen-Art entdeckt und beschrieben – und das in Schleswig-Holstein! Diese Meldung ist wie ein Hoffnungsschimmer am sonst eher trüben Insekten-Himmel – häuften sich doch zuletzt eher die Berichte um das dramatische Sterben dieser ökologisch so wichtigen Lebewesen.

Lennart Bendixen, Insektenkundler und Partner im Verbundprojekt „Blütenbunt-Insektenreich“ der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein war auf diese neue Art bereits vor über zwei Jahren, im Mai 2020, aufmerksam geworden. Damals war er in seinem wildbunten Garten auf eine ihm unbekannte Spezies gestoßen: in der „Paradies“-Straße in einem kleinen Ort namens Mohrkirch im Herzen Angelns. Das Exemplar saß auf einem Blatt des Feldahorns. „Es grenzt fast an ein Wunder, dass diese auffällig gefärbte Art nicht schon viel früher entdeckt wurde“, meint Bendixen und vermutet, „dass sie stark spezialisiert ist, und einfach noch kein Schlupfwespenspezialist zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.“

Schlupfwespen sind Parasitoide. Die Weibchen legen ihre Eier mit einem Legebohrer in Larven anderer Insekten, in denen sich ihre Larven dann entwickeln und schlussendlich meistens töten. Somit sind sie wichtige Gegenspieler von pflanzenfressenden Sechsbeinern in unseren Ökosystemen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Schlupfwespenarten, die überwiegend schwarz und rot gefärbt sind, ist diese bisher unbekannte Wespenart mit ihrer gelb-orangenen Färbung ungewöhnlich hell. Eine mögliche Erklärung für die helle Färbung hat Bendixen auch: „Wenn sich im Frühling die Knospen des Ahorns öffnen, fallen ihre Wintermäntel, die sogenannten Knospenschuppen, zu Boden. Diese fahlen Pflanzenteilchen liegen dann in großer Zahl unter dem Baum. Je ähnlicher ein Insekt den Pflanzenteilen ist, desto weniger wird es von einem Vogel gefressen.“ Dieses Prinzip nennt sich in der Insektenwelt Mimese und ist auch von anderen Arten bekannt. Einige Raupen zum Beispiel sehen aus wie Äste und entgehen dadurch ihren Fressfeinden.

Nach dem kleinen Sensationsfund im Frühjahr 2020 stand schnell fest, dass es sich um eine absolut unbekannte, noch nicht beschriebene Art handelt. Gute zweieinhalb Jahre hat der umfangreiche Prüfprozess gedauert, bis nun die Beschreibung der neuen Art veröffentlicht wurde: Campodorus paradiesensis, benannt nach der Straße, in der Bendixen die Wespe entdeckt hat. Schlupfwespen haben in der Regel keine deutschen Namen, wenn Bendixen ihr einen geben müsste, wäre es wohl „Feldahornblattwespenschlupfwespe“.

Wie die allermeisten Wespenarten ist das kleine Insekt für Menschen vollkommen harmlos. Die Weibchen besitzen zwar einen Legestachel, könnten mit diesem aber selbst bei ernsthafter Bedrohung nicht die menschliche Haut durchdringen.

Die Erstbeschreibung dieser für die Wissenschaft neuen Art ist in den Faunistisch-Ökologischen Mitteilungen erschienen, dem Fachblatt der in der FÖAG e.V. zusammengeschlossenen Tierexperten Schleswig-Holsteins.

Kostenfreier Download unter https://macau.uni-kiel.de/receive/macau_mods_00003324