Das Wiesenvogel-Rettungsprojekt „LIFE Limosa“ der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein hat sich von 2012 bis 2023 eigentlich um die Lieblings-Lebensräume der Uferschnepfe und vielen andere Wat- und Wiesenvögel gekümmert. Ganz nebenbei hat Projektleiter Oliver Granke und sein Team jetzt einer vom Aussterben bedrohten Art zurück auf die Wiese geholfen. Der Schlammling (Limosella aquatica), eine zierlich-zarte, ziemlich unscheinbare und kleine heimische Pflanze, ist im Rickelsbüller Koog – einem Projektgebiet im Wiesenvogelrettungsprojekt „LIFE-Limosa: Wo ist Greta?“ wieder aufgetaucht. „Das ist schon eine botanische Sensation“, räumt der Experte ein. „Ich musste auch zunächst zwei Mal hingucken, da ich es zunächst nicht glauben konnte, dass ich diese Rarität bei einer normalen Flächenbegehung quasi ganz nebenbei entdeckt habe“, erinnert er sich an den Sensationsfund.
Auf diesen zweiten, prüfenden Blick blieb dem Biologen kein Zweifel. Bei der Wiederentdeckung handelt es sich um eine in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohte Rarität: der Schlammling (Limosella aquatica, Rote Liste 1) konnte in einer riesigen Ansammlung dort erstmals nachgewiesen werden. „Es ist möglicherweise in diesem Jahr das einzige Vorkommen in ganz Schleswig-Holstein“, mutmaßt Granke.
Und hat auch eine Vermutung, wie es zu der Rückkehr in den Rickelsbüller Koog im Kreis Nordfriesland nahe der dänischen Grenze kam: im vergangenen Sommer hatte er und sein Team mit einer Spezialfräse kleine, sehr flache Mini-Gräben, sogenannte Grüppen, auf der Fläche wiederhergestellt, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verfüllt haben. Während der winterlichen Niederschläge haben sich die flachen Gräben mit Regenwasser gefüllt und dort in diesem Frühjahr für optimale Lebensbedingungen von Uferschnepfe und anderen Wat- und Wiesenvögel gesorgt. Doch damit nicht genug: bei den aufwendigen Bodenarbeiten mit der Spezialfräse ist eben offenbar auch eine viele Jahrzehnte alte Samenbank dieser Art freigelegt worden. Zuvor hatte sie in etwa 30 cm Tiefe im Boden geschlummert. Durch das Abtragen der obersten Schicht, ist sie wieder ans Licht gekommen und konnte dank der optimierten Bedingungen aus einem langen Dornröschen-Schlaf wieder zum Leben erweckt werden.
Der Schlammling wächst nur noch dort, wo durch die Kombination aus Wasserstandsschwankungen und der steten Dynamik durch Wasser und Weidetiere nahezu vegetationsfreie Bereiche entstehen. Schlammböden an Fluss-, See- oder Teichufern, aber eben auch an Grüppengräben, die mal mehr mal weniger überschwemmt sind, sind der perfekte Standort für den Schlammling. Ein toller Erfolg für die jahrelange Arbeit von Granke und seinem Team, der berechtigt stolz ist. Zusätzlich zum botanischen Sensationsfund hat er auch noch eine zweite gute Nachricht zu verkünden: „Es freut uns sehr, dass in diesem Jahr die Uferschnepfe (Limosa limosa) mit so vielen Paaren – insgesamt 39 Brutpaare – wie schon lange nicht mehr im Koog gebrütet hat und gleichzeitig ihrem deutlich unbekannteren und in Schleswig-Holstein noch selteneren Namensvetter (Limosella aquatica) – wenn wir uns an den lateinischen Fachbegriff bedienen – einen neuen Lebensraum verschaffen konnte. Hier zeigt sich wieder die Bedeutung von Naturschutzmaßnahmen für eine sehr anspruchsvolle Art, wie der Uferschnepfe. Geht es ihr gut, werden viele weitere seltene Arten unter ihrem Rettungsschirm gleich mitgeschützt.“