Libellen, Falter und glückliche Galloways

Schwirrende Vielfalt: Die letzte Extratour des Jahres am 3. September ging in die Postseefeldmark

  • Wildbienenwohnstätte

  • The masked singer - no, the masked conservationist and the green singer

  • Auf Libellenpirsch

  • Unser ältester Teilnehmer - immer konzentriert dabei

  • Versunken in Schwebfliegenbetrachtung


Bei dieser letzten Extratour des Jahres 2021 fängt die Vielfalt bei den Partnern an: Der NABU Preetz-Probstei ist dabei, die Familie Donath-Totzke vom Lindenhof, die Stadt Preetz, die Marius-Böger-Stiftung und die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Alle gemeinsam arbeiten sie an der Wiederherstellung nährstoffarmer Verhältnisse, der Vernässung des einst drainierten Feuchtgrünlandes, der Verringerung der Nährstoffeinträge in den Postsee und dem Erhalt der Offenlandbiotope.

Warum ein im Sommer ausgetrockneter Amphibienteich, mannshoch mit Rohrglanzgras bewachsen, Kammmolchen UND Libellen nützt, erfahren wir vom Schmetterlingsexperten der Stiftung Naturschutz, Dr. Detlef Kolligs. Der Kammmolch braucht nur zum Laichen ein Gewässer. Sind die Kaulquappen zu Molchen geworden, können sie davon spazieren. Nicht so die Fische, deren Leibspeise Molchlaich ist: Kein Wasser im Sommer - keine Fische! Libellen dagegen freuen sich an dem hohen Bewuchs. Da hängen sie an den Halmen, manche Arten legen in die Stängel sogar ihre Eier und besitzen deshalb einen Legebohrer, wie die Binsenjungfern. Blaugrüne Mosaikjungfern, eine komplett blaue Torf-Mosaikjungfer und ein rotes Exemplar. „Das ist eine Heidelibelle. Nur Heidelibellen sind rot!“ erklärt Kolligs. Aber ganz so einfach ist das nicht: „Die Blutrote Heidelibelle hat schwarze Beine, die Gemeine Heidelibelle hat schwarze Beine mit gelben Streifen, die Große Heidelibelle hat ebenfalls schwarze Beine mit gelben Streifen und zusätzlich eine schwarze Zeichnung über den Augen.“ Alles klar??

Auf einer weiteren Fläche wurde Regiosaatgut für eine artenreiche Blütenwiese angesät. Auch wenn jetzt, nach der Mahd, nur wenig Nektar zu holen ist: Die Libellen scheinen diese Fläche trotzdem zu lieben und veranstalten gleich im halben Dutzend ein Tänzchen in der Luft. Dazwischen fliegt surrend ein grünes Riesengeschöpf: Das Grüne Heupferd mit einer Körperlänge von ca. 4 cm ist ein guter Flieger und bleibt zum Entzücken unseres jüngsten Teilnehmers cool auf dessen Daumen sitzen. Auch in der angrenzenden Brachfläche fliegt und summt es. „Aber ich kann nicht gleichzeitig alles schützen“, sagt Detlef Kolligs. Hier haben wir uns für bedrohte Offenlandarten entschieden – und dafür muss diese Fläche bewirtschaftet werden, damit sie nicht verbuscht.

Auf der nächsten Fläche finden wir einige Streifen, die bewusst nicht gemäht wurden: Besonders artenreiches Mahdgut, das bei Putlos entnommen und hier ausgebracht wurde und sich prächtig entwickelt hat. Wilde Möhre, Flockenblume, Rotklee, Lichtnelke, Schafgarbe und Wegwarte bieten hier Schwebfliegen, Bienen, Hummeln & Co. ihren Nektar an. Antje Walter, die Leiterin des Projekts „Blütenbunt-Insektenreich“, stellt uns den gelb blühenden Klappertopf, als „die Geheimwaffe des Naturschutzes“ vor. Seine Arbeit als Vielfaltschützer verrichtet er als Halbschmarotzer: Der Klappertopf betreibt zwar selber Photosynthese, kann sich also selbst ernähren, nimmt sich aber zusätzlich eine Wirtspflanze - und zwar bevorzugt Gräser, die er zur Nahrungsgewinnung anzapft. Damit schwächt er sie und verhilft konkurrenzschwachen Blütenpflanzen zu größerer Durchschlagskraft. Schmarotzen für die Vielfalt – ein interessantes Prinzip!

Wir betreten eine andere Welt: Die Wilde Weide mit Blick auf den Postsee.  Ungemäht, uneben, mal mit Amphibienteichen – hier sogar mit Wasser, in dem Armleuchteralgen anzeigen, dass die Wasserqualität hervorragend ist – mal mit einer kleinen Sandabbruchkante. Über die freuen sich die Wildbienen, denn hier nistet es sich besser als in jedem Insektenhotel!
„Hier – die perfekte Tarnung!“ ruft  Detlef Kolligs. Die Raupe des auf den Beifuß spezialisierten Beifuß-Mönchs, eine Schmetterlingsart, hat ihr Outfit komplett den Fruchtständen des Beifuß’ angepasst und ist für Laienaugen von der Pflanze nicht zu unterscheiden. Viele Schmetterlinge sind auf eine bestimmte Pflanzenart spezialisiert. Stirbt die Pflanze aus, sterben auch die Besucher, die sich von ihr ernähren. Dann heißt es: „Vielfalt ade!“
Tiefenentspannt grasen im hintersten Winkel die schwarzlockigen Galloways, die im Naturgenussfestival der Stiftung Naturschutz eine wichtige Rolle spielen: Als Landschaftspfleger – und auf dem Teller. Bis Ende des Monats läuft das viermonatige Festival noch, das Besuche im Stiftungsland immer mit einer Prise kulinarischen und/ oder kulturellen Genusses verbindet. Auch diese klassische Extratour der Stiftung gehört zum Programm.
    „Was macht dieses Gebiet für Euch so besonders?“ will ich zuletzt von unseren Führer*innen wissen. „Die Teiche!“ erwidert Frauke Anders-Gehrke vom NABU Preetz-Probstei, die, ähnlich wie Detlef Kolligs, ebenfalls jede Pflanze und jedes unbekannte Flugobjekt mit Vornamen anreden kann, „die finde ich was ganz Besonderes!“ „Die Vielfalt! Der Mix an unterschiedlichen Lebensräumen! Und dazu die Vielfalt an Partnern!“ lacht Detlef Kolligs. Vielfalt auf ganzer Linie bei der letzten Extratour des Jahres und dazu als Abschiedsgeschenk Kaiserwetter – besser geht es nicht.