Käfer-Camper retten Eremiten-Käfer

Die überdimensionierten Boxen sind nicht etwa Nisthilfen für Waldvögel, sie sollen das Überleben der bedrohten Eremiten-Käfer sicher…


Sie sehen aus, wie überdimensionierte Nistkästen für große Waldvögel und sind das Thema Nr. 1 bei Besucher*innen des Stiftungslands Stodthagen vor den Toren Kiels: die großen, länglichen Holzboxen an den Bäumen. Sie dienen den Vielfaltschützer*innen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein dazu, die vom Aussterben bedrohten Eremiten-Käfer (Osmoderma eremita) zu retten. Die Käferboxen sind dabei nur Transportmittel, sowas wie ein Käfer-Camper. Die scheuen Käfer, verbringen ihr ganzes Leben tief im Verborgenen von alten Baumhöhlen. Nur ab und zu verlassen diese Eigenbrötler mal einen alten Baum, um ein neues Zuhause in einem anderen alten Baum einzurichten. Doch die Methusalem-Bäume, die die 500-Jahr-Marke überschritten haben, sind selten geworden hier bei uns im Norden. Und wenn sie dennoch auftauchen, dann meist in unüberwindbarer Distanz für die mantelknopf-großen (2,3 bis 3,9 cm langen und 1,4 cm bis 1,9 cm breiten) Käfer. „Die meisten Wälder, die es in Schleswig-Holstein noch gibt, sind weder wild noch urig, sondern immer gleich: ähnlich alt, gleich hoch und zu früh wieder gefällt. Dadurch fehlen Uraltbäume wie z. B. 500 bis 800 jährige Eichen. Nur solche alten Bäume haben so große Baumhöhlen, die der Eremit braucht und über 100 Jahre oder länger nutzten kann. Durch die intensive forstliche Nutzung von Wäldern werden die meisten Bäume aber geerntet, bevor sich in ihnen solche Baumhöhlen bilden können. So entzie-hen wir den Eremiten und vielen anderen Arten, die von alten Bäumen abhängig sind, die Lebensgrundlage“, erklärt Hauke Drews, Projektleiter der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.

Der Eremit müsste in Schleswig-Holstein von Gettorf – dort ist das wohl beste Vorkommen der seltenen Käfer-Art nachgewiesen – ins vier Kilometer entfernte Stodthagen wandern. Das könnte er sogar schaffen, aber nur mittels anderer uralter Bäume, entlang von Alleen, Baumgruppen oder auch über Einzelbäume. Er bräuchte sie als Trittsteine – die wie Zwischenstationen fungieren. Doch leider sind sie auf der gesamten Strecke und in der Gegend Fehlanzeige.

Deshalb greifen die Vielfaltschützer*innen im EU-geförderten dänisch-deutschen Käfer- und Waldentwicklungsprojekt „LIFE Open Wood“ den Käfern unter die Beine und siedeln sie mittels Käfer-Camper um. Insgesamt 25 XXL-Boxen in unterschiedlicher Größe stehen oder hängen jetzt seit gut einem Jahr südlich von Gettorf. Drei weitere Jahre warten sie dort noch auf ihre Fahrgäste, dann wird der Inhalt der Käfer-Camper 2026 untersucht und hoffentlich mitsamt vielen seltenen Käfer-Insassen ins Stiftungsland Stodthagen gebracht.

Dort gibt es dank des unermüdlichen Einsatzes der Vielfaltschützer*innen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein seit einigen Jahren wieder einen sich neu entwickelnden „Urwald“ mit mehr Baumhöhlen in alten, knorrigen Eichen und Buchen. Auf der angrenzenden Weidefläche stehen auch noch einige alte Eichen und neue Nachkommen sind schon gepflanzt, um dort alt zu werden. Gemeinsam bilden sie künftig eine im Aufbau befindliche Wohnsiedlung für den Eremiten und seine Baum-WG-Mitbewohner.

Die alten Eichen und Buchen in Stodthagen sind auch bereits mit XXL-Käferboxen versehen, aber nur, um zu prüfen, welche Arten sonst noch die Boxen nutzen mögen. Die Käferboxen sollen helfen den aktuell noch bestehenden Wohnungsmangel zu überbrücken, bis in 50 bis 100 Jahren ein vielfältigeres Baumhöhlenangebot, diese Hilfsmaßnahme überflüssig macht.

Die Maßnahmen finden im dänisch-deutschen EU-Projekt „LIFE Open Woods“ statt und wird zu 60 Prozent aus dem Programm LIFE + Nature der Europäischen Union gefördert. Antragsteller ist die dänische Naturagentur (Naturstyrelsen). Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein ist Partner des Projekts. Es läuft von 2019 bis 2027.