Wenn wir jetzt, am Jahresende, zurückblicken auf das Jahr 2018, fällt uns fast nur der Super-Sommer ein. Von Anfang April bis spät in den Oktober hinein war es sonnig und trocken. Im Hochsommer erreichten die Temperaturen hier im Lande sogar neue Spitzenwerte. Diese Extrem-Witterung wirkte sich gleich in mehrfacher Hinsicht positiv auf den heimischen Sommerhonig aus. Zum einen gab es einen deutlich höheren Ernteertrag: Mit durchschnittlich 19,9 kg hatten die Imker in Schleswig-Holstein rund zehn Kilogramm Sommerhonig pro Volk mehr in den Honiggläsern als in den beiden Vorjahren. Zum anderen fiel die Belastung durch Pflanzengiftstoffe – die sogenannten Pyrrolizidin-Alkaloide, kurz: PAs – deutlich geringer aus. Von den insgesamt 268 Sommerhonigen, die in diesem Jahr im Rahmen des Projektes „Blüten für Bienen“ auf PAs untersucht wurden, lag nur eine Probe über dem Orientierungswert von 474 μg PAs/kg Honig. 211 Imker aus ganz Schleswig-Holstein haben sich in diesem Jahr an dem vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) finanzierten Forschungsprojekt beteiligt.
Neuer Orientierungswert
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte bereits im Juli 2017 die Giftigkeit von PAs neu bewertet und auf der Grundlage einer neuen wissenschaftlichen Studie die Empfehlung für die maximale tägliche Verzehrmenge erhöht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich dieser Neubewertung im Juni 2018 angeschlossen. In der Folge musste auch das schleswig-holsteinische Verbraucherschutzministerium seinen Orientierungswert entsprechend anpassen: von bisher 140 auf 474 μg PAs/kg Honig.
PA-Belastung der Sommerhonige in 2018 weiter gesunken
Die Belastung der Sommerhonige in Schleswig-Holstein mit PAs ist in diesen Super-Sommer weiter gesunken. Auf der Grundlage des neuen Orientierungswertes (474 μg PAs/kg Honig) lagen 2017 fünf Sommerhonige über dem bedenklichen Wert; 2018 war es nur eine Probe. Legt man den vorherigen Orientierungswert (140 μg PAs/kg Honig) zu Grunde, verteilt sich die Belastung wie folgt: 2017 lagen 24 Sommerhonige über dem Wert, 2018 waren es lediglich elf. PAs kommen in vielen Pflanzenarten vor; in Schleswig-Holstein stammen sie vor allem aus dem Wasserdost, aus Boretschgewächsen und aus dem Jakobs-Kreuzkraut.
Sommerhonig-Ernte
In Schleswig-Holstein entfällt in durchschnittlichen Jahren nur ein knappes Drittel der Gesamtjahresernte auf den Sommerhonig. Die Masse produzieren die Bienen im Frühjahr, also vor der Blütezeit des Jakobs-Kreuzkrautes. In diesem Jahr kamen die Imker*Innen in Schleswig-Holstein im Durchschnitt auf 46,7 kg Honig pro Bienenvolk. Davon waren rund 20 kg Sommerhonig – das ist doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren – und 27 kg Frühjahrshonig. „Unsere Projektteilnehmer*Innen waren durchweg sehr zufrieden mit dem Honigjahr. Das sommerliche Nektarangebot war in diesem Jahr sehr gut“, erklärt Dr. Aiko Huckauf, Leiter des JKK-Kompetenzzentrums der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.
Standortwahl der Bienenstände entscheidend für Qualität des Sommerhonigs
Darüber hinaus zeige sich ein positiver Effekt, wenn die Imker bei der Standortwahl von vornherein darauf achten, dass sich keine Massenvorkommen PA-haltiger Pflanzen in unmittelbarer Nähe des Bienenstandes befinden, dafür aber ein gutes Angebot Nektar und Pollen spendender Alternativen. Gegebenenfalls erfordere das einen Wechsel des Standortes nach der Frühjahrsernte, d. h. nach dem Ende der Rapsblüte. Die Wahl eines geeigneten Standortes mit einem möglichst reichhaltigen sommerlichen Blütenangebot komme nicht nur dem Honigertrag zugute, sondern auch den Honigbienen, die hierzulande nach dem Ende der Rapsblüte vielerorts mit einem regelrechten Trachtloch zu kämpfen hätten, so Huckauf weiter.
Früher Schleudertermin verhindert hohe PA-Belastung durch Jakobs-Kreuzkraut
Auch die Vorverlegung des Erntetermins, wie von einigen Imkerinnen und Imkern bereits praktiziert, biete eine Möglichkeit, um speziell den Eintrag von PAs aus dem Jakobs-Kreuzkraut, das erst im Juli zu blühen beginnt, zu verhindern. Damit lasse sich zugleich auch eine weitere in Schleswig-Holstein weit verbreitete „Risikopflanze“ umgehen: der Wasserdost.
Honig baut die Giftstoffe nach und nach ab
Je länger PA-haltiger Honig gelagert wird, desto weniger belastet ist er. Zu diesem Ergebnis kommt ein weiteres Forschungsprojekt des JKK-Kompetenzzentrums der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, das ebenfalls durch das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) finanziert wurde. Unklar ist noch, in welche Abbauprodukte sich die PAs im Honig verwandeln. „Das sind hochkomplexe Untersuchungen, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) jetzt durchführen muss“, fordert Huckauf. Es gebe aber starke Hinweise dafür, dass mit dem Abbau auch eine Entgiftung einhergehe.
Jakobs-Kreuzkraut-Aktivitäten der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein
Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein arbeitet seit über elf Jahren intensiv an der Aufklärung und Sensibilisierung rund um das Thema Jakobs-Kreuzkraut – und an der Eindämmung der gelb blühenden heimischen Wildpflanze. Im Jahr 2007 ging das erste Anschreiben an die rund 1200 Pächter der Landesstiftung; darin wurde über die Gefahren und Risiken aufgeklärt, und es wurde Hinweise zum Umgang mit der Pflanze gegeben. Inzwischen gehören das jährliche Anschreiben, die Beratung und die enge Begleitung bei der Umsetzung notwendiger Schritte zum Standard. Mit der Einrichtung des JKK-Kompetenzzentrums vor dreieinhalb Jahren wurden die Maßnahmen erheblich intensiviert – immer unter Berücksichtigung der vom MELUND ausgearbeiteten Landesstrategie.
Ein Bündel an Forschungsprojekten zum Jakobs-Kreuzkraut
Das JKK-Kompetenzzentrum koordiniert außerdem zahlreiche Forschungsprojekte. „Die vielen verschiedenen Forschungsprojekte und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Forschern und Praktikern aus unterschiedlichen Bereichen helfen uns, das komplexe Phänomen Jakobs-Kreuzkraut besser zu verstehen – und als problematisch empfundenen Massenvorkommen der heimischen Pflanze effektiver zu begegnen“, sagt Huckauf. Dabei bleibe man seinen Prinzipien treu und verzichte bewusst auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. „Wir erreichen nichts, wenn wir den PA-Gehalt im heimischen Sommerhonig mittels Pflanzenschutzmitteln verringern, diese Pflanzenschutzmittel aber über das Grundwasser – oder den Honig – in die Nahrungskette gelangen.“
Das Forschungsprojekt „Blüten für Bienen“ ist ein Kooperationsprojekt des MELUND, der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Landesverbandes Schleswig-Holsteinischer und Hamburger Imker e. V.