Es ist der bislang größte Ansiedlungsversuch von Torfmoosen: Forschende der Universitäten Greifswald und Rostock sowie Moor-Expert*innen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein starten im Königsmoor bei Christiansholm ein Vorhaben, das die Wiederbelebung der Moore enorm beschleunigen könnte: Sie verpflanzen Torfmoose – die Motoren des Hochmoorwachstums – in großem Maßstab von naturnahen in frisch vernässte Teile des Moores.
Bisher wird meist darauf gewartet, bis die Pflanzen über die natürliche Verbreitung zurückkommen, was oft mehrere Jahre dauert. Gelingt die Übertragung der Torfmoose, könnten diese in Zukunft wiedervernässte Moore viel schneller wieder besiedeln, das Moor früher zu wachsen beginnen und damit aktiv CO2 aus der Atmosphäre speichern – echter natürlicher Klimaschutz, den wir dringend brauchen!
So läuft der Versuch ab
Am 22. und 23. Oktober findet die großangelegte Übertragung mit etwa zehn Helfer*innen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein im Königsmoor bei Christiansholm statt. Am Mittwoch begutachten die Expert*innen verschiedene, in den vergangenen Jahren renaturierte Moorflächen, um Entwicklungsstadien zu vergleichen und geeignete Techniken für die Übertragung festzulegen – etwa händisches Pflanzen, Schütten oder Auswerfen. Auch Transportmöglichkeiten wie Wannen, Eimer oder große Taschen werden getestet.
Sind alle Entscheidungen getroffen, geht es Donnerstag los mit der Torfmoos-Übertragung: Die Moorschützer*innen holen die leuchtend grünen und mit Wasser vollgesogenen Wunderpflanzen mit den Händen aus einem renaturierten Teil des Königsmoors, bringen sie in einen kürzlich wiedervernässten Teil und pflanzen sie dort ein.
In einem Abstand von mehreren Monaten wird das Team um Projektleiter Vytas Huth die Versuchsfläche im Königsmoor regelmäßig besuchen und dokumentieren, wie sich die Torfmoose entwickeln. Dabei vergleichen die Forschenden die Wiederansiedlung der Torfmoose auf der Versuchsfläche mit der natürlichen Ansiedlung in anderen Teilen des Moores.
„Wenn wir verstehen, wie sich Torfmoose hier am besten wieder ansiedeln lassen, schaffen wir ein Vorbild für viele weitere Hochmoore. Aus unserem Zusammenspiel von Forschung und Praxis können wir Renaturierungen möglicherweise deutlich beschleunigen – und damit den Klimaschutz direkt aus der Natur heraus stärken“, erläutert Projektleiter Vytas Huth.
Torfmoose sind echte Wunderpflanzen
In Schleswig-Holstein gibt es circa 15 verschiedene Torfmoos-Arten („Sphagnum“) in den Farben grün, rot und braun. Weltweit sind bis zu 300 Arten bekannt.
Die kleinen Pflanzen haben keine Wurzeln, sondern wachsen nach oben immer weiter, während die unteren Schichten absterben. Da im nassen Moorboden kaum Sauerstoff vorhanden ist, zersetzen sich diese abgestorbenen Pflanzenteile nicht, sondern türmen sich auf, pressen sich zusammen und bilden den sogennanten Torf. So wächst das Moor Schicht für Schicht, ein Milimeter pro Jahr, also einen Meter in 1.000 Jahren.
Während ihres Lebens nehmen Torfmoose CO2 aus der Atmosphäre auf und speichern es als Kohlenstoff. Im Torf, der aus den Pflanzen entsteht, bleiben deswegen große Mengen an Kohlenstoff potentiell unbegrenzt lange gespeichert – sehr gut für den Klimaschutz. Zumindest bis man das Moor trockenlegt, dann kommt auf einmal doch Sauerstoff an die Torfmoos-Reste und sie verrotten nachträglich. Der Kohlenstoff (C) verbindet sich mit dem Sauerstoff aus der Luft (O2) und entweicht als CO2 in die Atmosphäre – schlecht fürs Klima. Das macht das Vernässen von Mooren und das Wiederherstellen ihrer Vegetation so wichtig.
In Hochmooren herrscht ein saures Milieu, also ein besonders niedriger PH-Wert. Das bewirken die Torfmoose: Sie nehmen die im Moor nur spärlich verfügbaren Mineralstoffe auf und geben dafür Wasserstoff-Ionen ab, was ihre Umgebung versauert. Das sorgt dafür, dass nur wenige andere Pflanzen neben den Torfmoosen gedeihen können.
Torfmoose bilden Teppiche auf Wasserflächen im Moor, die immer dichter werden, bis ein sogenannter „Schwingrasen“ entsteht. Darauf finden andere besondere, moortypische Pflanzen wie der Sonnentau, das Weiße Schnabelried oder die Moosbeere ihren Lebensraum. Auch deshalb ist es so wichtig für die Renaturierung, dass die Torfmoose möglichst schnell zurückkommen.
Das Königsmoor ist Teil eines größeren Forschungsprogramms
Die Übertragung der Torfmoos-Pflanzen im Königsmoor ist Teil des im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Modellvorhabens OptiMuM. Dieses forscht in überregionalen Feldversuchen zur Hochmoor-Renaturierung ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein ist Praxispartner in dem Projekt, bringt dabei ihre Moor-Flächen sowie das Wissen ihrer Expert*innen zu Wiedervernässung und zur heimischen Vegetation ein. Das Moor-Team der Stiftung hat allein im Königsmoor seit 2012 bereits 400 Hektar wiedervernässt.
„Wir vernässen jedes Jahr viele Hektar Moore in Schleswig-Holstein und warten immer gespannt darauf, wann die ersten Torfmoose zurückkommen. Denn dann wächst das Moor wieder, kann CO2 aus der Luft aufnehmen und die anderen typischen Arten kommen zurück. Den Mooren dabei etwas auf die Sprünge zu helfen, wird schon länger diskutiert. Jetzt probieren wir unter realistischen Bedingungen aus, ob die aktive Ansiedlung der Tofmoose funktioniert.“ freut sich Gerrit Werhahn, Moor-Versnässer bei der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.
Neben dem Königsmoor macht das Forscher*innen-Team der Universitäten Greifswald und Rostock auch in niedersächsischen Mooren in den Landkreisen Cuxhaven, Wittmund und Aurich ähnliche Versuche. Ziel ist es, wiedervernässte Moore schneller wieder zu Kohlenstoff-Senken zu machen. Dann dienen sie auch als Wasserspeicher und Extremwetterpuffer, und bieten wieder wertvolle Lebensräume für moortypische Tiere und Pflanzen
Torfmoose sind besonders geschützte Pflanzenarten, ihre Lebensräume sind gesetzlich geschützte Biotope. Daher gelten für ihre Entnahme aus der Natur strenge Regeln. Eine Genehmigung des Landesamts für Umwelt und der Unteren Naturschutzbehörde konnte ohne Bedenken gegeben werden, da die Torfmoose innerhalb eines Gebiets, also eines Lebensraums, übertagen werden und da aus den großen Beständen immer nur relativ kleine Mengen entnommen werden.
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