Verehrte Leserschaft,
Unfassbares ist geschehen! Wir haben unsere Aufgabe, diesen Blog zu führen, schändlicherweise zutiefst vernachlässigt und erbeten demütigst Ihr Verständnis. Sehen Sie, die letzten Wochen ist viel geschehen – wir haben sogar eine 3. FÖJlerin als Verstärkung an unsere Seite gestellt bekommen, zum allerersten Mal in der FÖJ-Chronik der Stiftung Naturschutz!
Seit dem 01. Oktober leistet uns Kira Gesellschaft und stärkt Lorenz und mir den Rücken, sodass wir zu einem total tollen und teuflisch talentiertem Trio transformiert sind!
Bis es aber soweit war, haben Lorenz und ich eine kurzzeitige Rückentwicklung erlebt, nämlich als wir Heike beim Baustellenstart in Wandelwitz begleitet haben. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Baustelle, wie man sie überall in Deutschland finden kann (der Leser und die Leserin mögen dies etwa mit der Fangquote eines Rattfatz oder Raupys in Pokémon vergleichen), sondern um eine Baustelle, die ausnahmsweise mal der Arterhaltung dient!
Denn auch wenn große Maschinen wie Bagger dort auftauchen, dessen Erscheinen aus nächster Nähe uns zu kindlicher Begeisterung getrieben hat, werden diese dafür benutzt, beispielsweise Ackerflächen aufzuwerten und den ersten Schritt in Richtung Wiedervernässung und Moorentstehung zu machen. Da ein solcher Eingriff in die Tier- und Pflanzenwelt im Winter im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten diese am wenigsten stört, werden die Maßnahmen erst gegen Ende des Jahres umgesetzt. Und da waren wir dabei und haben uns das angeschaut!
Dabei haben wir mehrere Eidechsen beobachten können, den Bagger beim Löcher graben, um die Bodenbeschaffenheit zu untersuchen, und wir haben eine Dammwildschaufel aus dem letzten Jahr entdeckt.
Torf besteht bekanntlich aus zersetzten Pflanzenresten. Und da im Moor aufgrund des niedrigen pH-Werts und dem Sauerstoffmangel durch den Wasserabschluss die Zersetzung nur sehr langsam erfolgt, kann es sehr viele verschiedene Arten von Torf geben, die die verschiedenen Zersetzungsgrade der Pflanzen abzeichnen.
Wie das genau aussieht konnten Lorenz und ich für unsere geneigte Leserschaft beobachten, als wir einer Torfbohrung beiwohnten. Mithilfe eines schmalen, halbrunden Metallstifts, ähnlich einer sehr langgezogenen Schaufel, der in die Erde gedreht werden kann, haben wir an diversen Stellen im Moor gebohrt und durch die so an die Oberfläche beförderte Erde die verschiedenen Torfschichten begutachten können. Die Konsistenz und die Farbe dienen als Erkennenungsmerkmale für den Zersetzunsgrad der Pflanzen und geben daher auch einen Anhaltspunkt für das Alter des vorliegenden Torfs. Wir bekamen verschiedenste Farben und Konsistenzen zu Gesicht und in die Hand, von stahlgrau und lehmig bis rotbraun und bröcklig.
Am 29.09. wartete ein ganz besonderes Event auf mich: ich durfte Hauke Drews bei einer Study-Tour begleiten, die im Rahmen des LIFE Projekts „Open Woods“ stattgefunden hat. Die LIFE-Projekte sind von der EU geförderte Programme, die einen individuellen Themenfokus setzen. Sie dienen dem Naturschutz und der Arterhaltung und sorgen durch ihren internationalen Charakter dafür, dass Naturschutzorganisationen in verschiedenen europäischen Ländern zusammenarbeiten.
Die Stiftung nimmt an mehreren LIFE-Projekten teil, das „Open Woods“-Programm strebt eine Verbesserung der Waldlandschaften in den Projektgebieten in den beteiligten Ländern an.
Bei der Study Tour kamen Teilnehmer aus Dänemark und Deutschland zusammen und tauschten sich intensivst über ein Thema aus: den Eremiten Käfer. Bei diesem Treffen ging es darum, dass die Stiftung demonstrierte, welche Anstrengungen sie im Rahmen des LIFE-Projekts auf unseren Flächen unternommen hat, um diesen seltenen und bedrohten Käfer zu schützen.
Dafür besichtigten wir zunächst ein 100 ha großes Waldgebiet bei Stodthagen und betrachteten dort die speziell für die Käfer entwickelte Holznistkästen genauer, die an Bäumen aufgehängt oder auch freistehend und erhöht auf freien Flächen montiert werden können. Sie sollen ein zusätzliches, vorübergehendes Quartier für den Eremiten bieten. Wenn sich der Käfer darin ansiedelt, sollen die Kästen in Gebiete transportiert werden, wo geeignete Lebensräume für das Insekt sind, denn wie ich gleich noch erläutern werde, sind diese rar.
Nach einer kurzen Mittagspause fuhren wir zum nächsten Gebiet weiter, zum Thiergarten des Gutes Wulfshagen. Im unmittelbaren Umfeld des alten Gutes steht auf einer großen Weidefläche einer der größten Bestände alter und uralter Eichen, zum Teil etwa 600 Jahre alt. Eichen sind nämlich eine der bevorzugten Baumarten des Käfers. Er lebt in deren alten Baumhöhlen und bevorzugt geschützte, leicht feuchte Habitate, die keinen großen Klimaschwankungen unterliegen. Der Eremit ernährt sich von der inneren, weichen und von Pilzen durchwachsenen Kernholz und dem sich daraus bildenden „Holzkompost“, dem Mulm. Der Mulm sammelt sich im Laufe der Jahrzehnte bis Jahrhunderte in den Baumhöhlen an und dient den Larven des Käfers als Lebensraum, die darin wie Käferlarven im Boden leben. Die Eremiten brauchen Mulmvolumina von mehr als 5 l. Dies wird zunehmend eine Herausforderung, denn alte Eichen, die auch noch so große oder besser größere Baumhöhlen aufweisen, werden immer seltener.
Doch der Käfer ist zum Überleben noch auf weitere Landschaftsmerkmale angewiesen. Bedeutsam sind offene Flächen zwischen den Eichen, auf denen es nicht viele Hindernisse gibt. Denn er verfolgt einen sehr außergewöhnlichen Lebenszyklus: es dauert 3-4 Jahre, bis sich die Larve im Stamm zu dem adulten Stadium, dem Käfer, entwickelt. Anschließend überlebt das männliche Insekt nur noch 2 Wochen, die Weibchen hingegen 3 Monate. In dieser Zeit wagen manche den Flug und verlassen die Höhle, um sich zu paaren. Das tun aber nur 15% der Käfer! Ein Großteil verbleibt in der Baumhöhle, wenn das Nahrungsangebot es zulässt.
Wenn sich doch ein Käfer entscheidet, die Höhle zu verlassen um eine andere Baumhöhle mit Artgenossen zu finden, mit denen er sich paaren kann, kann er so etwa 200m im Flug zurücklegen. Stößt er allerdings gegen ein Hindernis wie hohe Büsche oder Sträucher, wird es sehr schwer für ihn, wieder vom Boden abzuheben. Man kann sich also vorstellen, wie schwierig das Überleben für diese Art bei den Ansprüchen gegenwärtig sein muss. In der Urlandschaft war es leichter, dort gab es alte Eichen und andere Bäume mit Höhlen zu Hauf, sodass nur kurze Flugstrecken reichten, um einen andern Baum zu finden.
Diese Informationen habe ich bei den Vorträgen am Abend nach dem gemeinsamen Abendessen für Sie sammeln können. Der letzte Punkt für die Study Tour war eine Panel-Diskussion über die Zukunft des Eremit Käfers in Schleswig-Holstein und Dänemark.
Nun habe ich sehr lange über einen Tag geschrieben, man möge es mir verzeihen, doch ich möchte anmerken, dass diese Veranstaltung ein bisheriges Highlight meines FÖJs darstellt und ich daher ausführlich darüber berichten wollte. Auch wenn ich nicht als Experte dort anwesend war und auch noch nie zuvor von dem Käfer gehört habe, wie ich ehrlich gestehen muss, war es unfassbar spannend den Beiträgen zuzuhören und mehr über diese Art und die Herausforderungen, vor denen wir stehen bei dem Versuch, sie zu schützen, zu erfahren. Es war eine total nette Gesellschaft, die sich dort zusammengefunden hat und mit ehrlichem Interesse und Motivation an der Verbesserung der Lebensumstände für den Käfer arbeitet.
Am Folgetag stand eine weitere Exkursion an. Es ging für uns wissbegierigen FÖJtis ins Dosenmoor, denn dort hatte sich Björn Rickert bereit erklärt, uns eine Einführung in die Welt der Torfmoose zu geben. Das war ebenfalls ein sehr spannendes Erlebnis, denn wir haben einen Einblick in den Aufbau und die Struktur der Torfmoose und die verschiedenen Arten erhalten.
Aber der Mittwoch war ein ganz besonderer Tag! Denn da haben wir unsere dritte FÖJlerin Kira kennenlernen dürfen – und sie sofort mit uns in den Außendienst geschleppt. Wir hatten Jörn gefragt, ob wir ihn begleiten durften, denn er wollte kleine röhrenförmige Kästen in Höltigbaum abhängen. Sie waren für Haselmäuse dort angebracht worden, als Quartierangebot, doch da die Tiere in der kalten Jahreszeit in den Winterschlaf gehen, werden sie nun nicht mehr benötigt. Wir hatten einen netten ersten Tag zusammen, haben uns ausgiebig unterhalten und kennenlernen können. An dieser Stelle auch ein ganz herzliches Willkommen im FÖJ-Team, Kira! Du wirst uns sicherlich eine treue Mitstreiterin sein!
Und damit sie für die kommenden Abenteuer gerüstet ist, sind wir mit ihr am Freitag direkt zu Hans Koll gefahren, um sie mit Gummistiefeln, Handschuhen und Regenhose einzudecken.
Sie sind nun sicherlich so gespannt wie wir es waren, Kira kennenzulernen… Ich verkünde frohe Botschaft! Sie wird sich dem nächsten Blog annehmen, sodass Ihr ihren edlen Charakter ebenfalls näher kennenlernen könnt!
Und mit einem solchen Teaser entlasse ich Sie nun wieder in Ihren Alltag. Bleibt gesund und gehabt euch wohl!
Auf bald!
- Anna
Das Haiku der Woche
Im Moor Nebel zieht,
in der Rinde still der Eremit –
Herbst fliegt leise an.










